Anna-Katharina Ledwa / Projektgestalterin / Tischlerin

Kolumne zweiter Teil in ‚an.schläge‘

„Angstschweiß?“

Es ist Anfang September, sommerlich heiß und mein erster richtiger Arbeitstag als Tischlergesellin. Ich betrete eine Werkstatt, die nicht meine Ausbildungsstätte ist, in einer neuen Stadt. Mein T-Shirt ist nass und klebt am Rücken. „Angstschweiß?“, fragte der neue Kollege. Nein, Angstschweiß war das nicht – oder doch ein kleines bisschen? „Ich bin mit dem Rad gekommen und es ist warm draußen“, erkläre ich. „Aha.“

Was für eine Begrüßung. Ich bin neu hier. Die einzige Frau unter drei Männern – dazu der Chef. Fängt es also schon so an, mit dummen Sprüchen, obwohl man sich gerade erst begegnet ist? Wer ist der Typ überhaupt, der das von sich gegeben hat? Gesehen haben wir uns nicht, als ich zum Vorstellen und Probearbeiten hier war.

Nicht beeindrucken lassen, los geht’s! „Das ist Anna, Anna, das sind Matthias, Torben und Karl.“ Die erste und einzige montägliche „Mitarbeiterbesprechung“, die ich je miterleben durfte.

„Anna, du baust heute mit Karl Türen ein.“ Habe ich das schon mal gemacht? Ich kann mich nicht erinnern. Ich will lernen, lernen, lernen. Und dabei Profi werden! Das habe ich mir fest vorgenommen. Doch was lernt man schon in seiner Ausbildung? Von jedem etwas und nichts richtig. Sagt man das nicht so? Ich habe eigentlich sehr viel gelernt. Doch dabei wurde ich immer angeleitet und begleitet, die Verantwortung lastete nicht auf meinen Schultern.

„Eine Auszubildende – das ist ja toll! Man sieht selten Mädchen, die Tischlerin werden.“ Jaja, weiß ich, habe ich schon tausendmal gehört und werde ich auch noch weitere tausend Male hören. Leck mich am Arsch, denke ich dann meistens. Aber sagen muss man: „Ja, der Beruf gefällt mir sehr gut, die Arbeit mit Holz ist großartig, und tatsächlich habe ich auch gedacht, dass es mittlerweile mehr Tischlerin gibt.“ Oder ich sage gar nichts und lächle nur schüchtern. Schüchtern, reserviert und unsicher, das bin ich nach außen hin. Doch das wird sich in den folgenden Monaten noch stark ändern.

Anna-Katharina Ledwa hat seit dem ersten Tag gelernt, sich durchzusetzen und Selbstbewusstsein zu zeigen. Sie wünscht sich, dass sich keine Auszubildende von ihren Kollegen unterbuttern lässt.

Erschienen in der Ausgabe I/2016